vorstellen sollte, so nöthigten ste dock alle Fremden, zu gestehen, daß
man nichts Vollkommncres sehen könne.
Uns dünkt, diese Beispiele beweisen schon hinlänglich, daß man
den Abderiten kein Unrecht that, wenn man sie für warme Köpfe
hielt. Aber wir zweifeln, ob sich ein Zug denken läßt, der ihren
Charakter stärker zeichnen könnte, als dieser: daß sie, nach dem
Zeugnis des Iustinus, die Frösche in und um ihre Stadt der-
gestalt Überhand nehmen ließen, daß sie selbst endlich genöthiget
wiirden, ihren quäkenden Mitbürgern^platz zu machen und, bis zu
Austrag der Sache, sich unter dem Sckiltze des Köliigs Kapander
an einen dritten Ort zu begeben. Dies Unglück heftet die Abderiten
nicht ungewarnt. Ein weiser Mann, der sich unter ihnen befand,
Demokritus, sagte ihnen lange zilvor, daß es endlich so kommen
würde. Der Fehler lag in der That bloß an deii Mitteln, wo-
durch ste dem Übel steuern wollten, wiewohl sie nie dazu gebracht
werden konnten, dies einzuseheii. Was ihnen gleichwohl die Augen
hätte öffnen sollen, war, daß ste kaum etliche Monate von Abdera
weggezogen waren, als eine Menge von Kranichen ans der Gegend
von Geranien ankamen und it;nen alle ihre Frösche so rein weg-
putzten, daß eine Meile rings um Abdera nickt einer übrig blieb,
der dem wiederkommenden Frühling Bofxsxcx xoa£ xo«£ entgegen
gesungen hätte.
2. Eine Unterredung vom Schlaraffenlande der Sittenlehrer. I, 108.
Demokritus hatte sich, da er von weiten Reisen in sein Vater-
land zurückkam, mit dem Gedanken geschmeichelt, daß er demselben
mittels alles dessen, um was sich sein Verstand und sein Herz in-
dessen gebessert hatte, nützlich werden könnte. Er hatte sich nicht
vorgestellt, daß es mit den abderitsschen Köpfen so gar übel stünde,
als er es nun wirklich befand. Aber da er sich einige Zeit unter
ihnen aufgehalten, sah er augenscheinlich, daß es ein' eitles Unter-
nehmen gewesen wäre, sie verbessern zu wollen. Alles war bei
ihnen so verschoben, daß man nicht wußte, wo man die Verbesserung
anfangen sollte. Jeder ihrer Misbräncke hieng an zwanzig andern;
es war unmöglich, einen davon abzustellen, ohne den ganzen Staat
umznsckaffen. Er beschloß also, sich mit guter Art von ihnen zu-
rückzuziehen, und gieng ein kleines Gut zu bewohnen, das er in
der Gegend von Abdera besaß, und mit dessen Benutzung lind
Verschönerung er die Stunden beschäftigte, die ihm sein Lieblings-
stndium, die Erforschung der Naturwirkungen, übrig ließ. Aber
zum Unglück für ihn lag dies Landgut zu nah bei Abdera. Denn
weil die Lage desselben ungemein schön, und der Weg dahin einer
der angenehmsten Spaziergänge war: so sah er sich alle Tage Gottes
von einem Schwarm von Abderiten und Abderitinnen, lauter
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
101
Die ich rief, die Geister,
Werd' ich nun nicht los.
Vn die Ecke,
Besen! Besen!
Seid's gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur zu seinem Zwecke
Erst hervor der alte Meister.'
60.
Anschlagzettel im Namen von Philadelphia.
Von Lichtmberg.
Vermischte Schriften. Göttingen 1841—4l. Iii, 185.
Av er tissemcu t.
Jollen Liebhabern der übernatürlichen Physik wird hierdurch
bekannt gemacht, daß vor ein paar Tagen der weltberühmte Zau-
berer Philadelphus Philadelphia, dessen schon Cardanus in seinem
Buche de natura supernaturali Erwähnung thut, indem er ihn den
von Himmel und Hölle Beneideten nennt, allhier aus der ordinären
Post angelangt ist, ob es ihm gleich ein Leichtes gewesen wäre,
durch die Lust zu kommen. Es ist nämlich derselbe, der im Jahr
1482 zu Venedig auf öffentlichem Markt einen Knaul Bindfaden
in die Wolken schmiß und daran in die Luft kletterte, bis man
ihn nicht mehr gesehen. Er wird mit dem nennten Jenner dieses
Jahres anfangen, seine Einthalerkünste auf dem hiesigen Kaufhause
öffentlich-heimlich den Angen des Publici vorzulegen, und wöchent-
lich zu besseren fortschreiten, bis er endlich zu seinen Fünfhundert-
louisdorstücken kommt, darunter sich einige befinden, die, ohne
Prahlerei zu reden, das Wunderbare selbst übertreffen, ja, so zu
sagen, schlechterdings unmöglich sind.
Es hat derselbe die Gnade gehabt, vor allen hohen und niedri-
gen Potentaten aller vier Wclttheile und noch vorige Woche auch
sogar im fünften vor Jhro Majestät der Königin Oberen auf
Otaheite mit dem größten Beifall seine Künste zu machen.
Er wird sich hier alle Tage und alle Stunden des Tages
sehen lassen, ausgenommen montags und donnerstags nicht, da er
dem ehrwürdigen Congreß seiner Landsleute zu Philadelphia die
Grillen verjagt, und nicht von elf bis zwölf des Vormittags, da
er zu Constantinopel engagiert ist, und nicht von zwölf bis eins,
da er speiset.
Von den Alltagsstückchcn zu einem Thaler wollen wir einige
angeben, nicht sowohl die besten, als vielmehr die, die sich mit den
wenigsten Worten fassen lassen.
1) Nimmt er, ohne aus der Stube zu gehen, den Wetterhahn
von der Jacobikirche ab und setzt ihn auf die Johanniskirche,
und wiederum die Fahne des Johanniskirchturms auf die
Jacobikirche. Wenn sie ein paar Minuten gesteckt, bringt er
sie wieder an Ort und Stelle.
Nb. Alles ohne Magnet, durch die bloße Geschwindigkeit.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
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263
Ohne Kautschuk allein wären die Apparate kostspieliger und zer-
brechlicher; aber der Hauptvortheil, den beide gewähren, liegt in
dem Gewinn an der unendlich kostbareren Zeit.
Das Laboratorium des Chemikers ist heutzutage nicht mehr
das feuerfeste, dumpfe, kalte Gewölbe des Metallurgen, oder das
mit Retorten und Destillierapparaten überladene Laboratorium des
Pharmaceuten, es ist ein Helles, warmes, freundliches Zimmer;
statt der Schmelzöfen und Kohlen dienen ihm vortrefflich con-
struierte Lampen; sein Feuer giebt ihm die reine und geruchlose
Weingeistflamme. Mit diesen einfachen Hülfsmitteln, wozu noch die
Wage kommt, macht der Chemiker seine umfassenden Untersuchungen.
Wägen und Messen unterscheidet die Chemie von der Physik,
ja es giebt zwischen beiden keinen andern Unterschied. Seit Jahr-
hunderten haben die Physiker gemessen, allein erst seit fünfzig Jahren
flengen sie an zu wägen. Alle großen Entdeckungen Lavoisier's,
er verdankt sie der Wage, diesem unvergleichlichen Instrumente,
das alle Beobachtungen und Entdeckungen festhält, die Zweifel
besiegt und die Wahrheit ans Licht stellt, waö uns zeigt, daß wir
uns geirrt haben, oder daß wir uns auf dem wahren Wege be-
finden. Mit der Wage hatte das Reich des Aristoteles ein Ende;
seine Methode, die Erklärung einer Naturerscheinung zu einem
Spiele des Geistes zu machen, machte der eigentlichen Naturfor-
schung Platz; drei von seinen Elementen waren von da an nur
Bilder für Zustände. Alles Bestehende auf der Erde besaß nach
wie vor den Zustand der Festigkeit, der Flüssigkeit oder der Luft-
form; allein Erde, Wasser und Luft gehörten als Elemente der
Geschichte an, das Feuer war der sichtbare und fühlbare Repräsen-
tant einer Änderung dieser Zustände.
137.
Räthsel.
1. Bon Schleiermachkr.
Ph. Wackernagrl: Lesebuch. Stuttgart 1843. Iii, 16. 52. 92.
a.
^urch dunkle Nacht drängt sich das erste Silbenpaar,
Auf zartem Weiß stellt sich das zweit' am schönsten dar.
Mög' oft das Ganze dein erwachend Aug' erfreuen
Und ungetrübt die Lust des Lebens dir erneuen.
b.
Mein Erstes ist ja nicht die Sonne, Drum geb'ich oftnur trügerische Wonne
Mein Zweites ist die Wahrheit nicht; Und stets ein ungewisses Licht.
6.
Aus zarten Blumen wird das Erste zubereitet,
Von fernen Sternen her das Zweit' uns zugeleitet;
Das Ganze seht ihr oft in schön geschmückten Zimmern
Hoch über Blumenpracht, hoch über Sternen schimmern.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T30: [Periode Abschnitt erster zweiter Zeitraum dritter Jahr Kapitel Sonne Planet]]
TM Hauptwörter (200): [T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
92
54.
ilon den Äbderiten.
S3on Wieland.
Geschichte der Abderiten. Leipzig 1781.
Deutscbee Merkur 1774, 1 u. 2. — Werke, herausg. vongruber. Leipzig 1818-28. 53 Bde.
1. Von ihrem Charakter. I, 10.
dei den Griechen war ein abderitischer Einfall, ein Abderiten-
stückchen ungefähr, was bei uns ein Schildbürger- oder bei den
Helvetiern ein Lalenbnrgerstreich ist; und die guten Abderiten er-
mangelten nicht, die Spötter und Lacher reichlich mit sinnreichen
Zügen dieser Art zu versehen. Für jetzt mögen davon nur ein
paar Beispiele zur Probe dienen. Einsmals fiel ihnen ein, daß
eine Stadt wie Abdera billig auch einen schönen Brunnen haben
müsse. Er sollte in die Mitte ihres großen Marktplatzes gesetzt
werden, und zu Bestreitung der Kosten wurde eine neue Auflage
gemacht. Sie ließen einen berühmten Bildbauer von Athen
kommen, um eine Gruppe von Statuen zu verfertigen, welche den
Gott des Meeres auf einem von vier Seepferden gezogenen Wagen,
mit Nymphen, Tritonen und Delphinen umgeben, vorstellte. Die
Seepferde und Delphine sollten eine Menge Wassers ans ihren
Nasen hervorspritzen. Aber wie alles fertig stund, fand sich, daß
kaum Wasser genug da war, um die Nase eines einzigen Delphins
zu befeuchten; und als man das Merk spielen ließ, sah es nicht
anders aus, als ob alle diese Seepferde und Delpbine den Schnupfen
hätten. Um nicht ausgelacht zu werden, ließen sie also die ganze
Gruppe in den Tempel des Neptuuus bringen; und so oft man
sie einem Fremden wies, bedauerte der Küster sehr ernstbaft im Na-
men der löblichen Stadt Abdera, daß ein so herrliches Kunstwerk
‘aus Kargheit der Natur' unbrauchbar bleiben müsse.
Ein andermal erhandelten sie eine sehr schöne Venus von
Elfenbein, die man unter die Meisterstücke des Praxiteles zählte.
Sie war ungefähr fünf Fuß hoch und sollte auf einen Altar der
Liebesgöttin gestellt werden. Als sie angelangt war, gerieth ganz
Abdera in Entzücken über die Schönheit ihrer Venus; denn die
Abderiten gaben sich für feine Kenner und schwärmerische Lieb-
haber der Künste aus. ‘Sie ist zu schön,' riefen sie einhellig aus,
‘um ans einem niedrigen Platze zu stehen. Ein Meisterstück, das
der Stadt so viel Ehre macht und so viel Geld gekostet hat, kann
nicht zu hoch aufgestellt werden; sie muß das erste sein, was den
Fremden beim Eintritt in Abdera in die Augen fällt.' Diesem
glücklichen Gedanken zufolge stellten sie das kleine niedliche Bild
auf einen Obelisk von-achtzig Fuß; und wiewohl es nun un-
möglich war, zu erkennen, ob es eine Venns oder Austernymphe
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T115: [Tempel Stadt Rom Zeit Athen Pyramide Bau Ruine Denkmal Säule], T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
94
Vettern und Basen, heimgesucht, welche das schöne Wetter und
den angenehmen Spaziergang zum Vorwände nahmen, ihn in
seiner glücklichen Einsamkeit zu stören. Wiewohl Demvkritus den
Abderiten wenigstens ebenso wenig gefiel, als sie ihm, so war doch
die Wirkung davon sehr verschieden. Er floh sie, weil sie ihm
lange Weile machten; und sie suchten ihn, weil sie sich die Zeit
dadurch vertrieben.
Eines Tages zeigte er ihnen seine schöne Sammlung von
Naturalien aus allen Neichen der Natur: ausgestopfte Thiere,
Vögel, Fische, Schmetterlinge, Muscheln, Versteinerungen, Erze
u. s. w. Alles war den Abderiten neu; alles erregte ihr Erstaunen.
Der gute Naturforscher wurde in einer Minute mit so viel Fragen
übertäubt, daß er, wie die Fama, aus lauter Ohren und Zungen
hätte zusammengesetzt sein müssen, um auf alles antworten zu
können.
Plötzlich erhub eine schöne Base sanft ihre Stimme und lispelte:
<Herr Demokritus, Sie sind in der ganzen Welt herumgekommen,
und es soll da viele wunderbare Länder geben, wo alles anders
ist, als bei uns. Sagen Sie mir doch, in welchem unter allen
diesen Ländern es Jhuen am besten gefallen hat? — Wo könnte
es einem besser gefallen, als — zu Abdera?' — ‘D wir wissen
schon, daß dies Ihr Ernst nicht ist. Ohne Complimente! ant-
worten Sie der jungen Dame, wie Sie denken,' sagte ein Rathsherr.
'Sie werden über mich lachen,' erwiderte der Philosoph;
'aber weil Sie es verlangen, schöne Klonarion, so will ich
Ihnen die reine Wahrheit sagen. Haben Sie nie von einem
Lande gehört, wo die Natur so gut ist, neben ihren eigenen Ver-
richtungen auch noch die Arbeit der Menschen auf sich zu nehmen?
von einem Lande, wo ewiger Friede herrscht; wo niemand Knecht
und niemand Herr, niemand arm und jedermann reich ist? wo der
Durst nach Golde zu keinem Verbrechen zwingt, weil man das
Gold zu nichts gebrauchen kann; wo eine Sichel ein ebenso un-
bekanntes Ding ist als ein Schwert; wo der Fleißige nid)t für den
Müsstgganger arbeiten muß; wo es keine Ärzte giebt, weil niemand
krank wird; keine Richter, weil es feine Händel giebt; keine Händel,
weil jedermann zufrieden ist; und jedermann zufrieden ist, weil
jedermann alles hat, was er nur wünschen kann: mit einem Worte,
von einem Lande, wo alle Menschen so fromm wie die Lämmer
und so glücklich wie die Götter sind? Haben Sie nie von einem
solchen Lande gehört?'
Micht, daß ich mich erinnerte.'
<Dies nenne ich ein Land, Klonarion! Da ist es nie zu
warm nnb nie zu kalt, nie zu naß und nie zu trocken; Frühling
und Herbst regieren dort nicht wechselsweise, sondern, wie in den
Gärten des Alcinous, zugleich in ewiger Eintracht. Berge und
Thäler, Wälder und Auen sind mit allem angefüllt, was des
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
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'Schlecht gerathen, Herr Rathsherr!' dachte Demokritus.
/Ich erinnere mich, in den Amphiktyouen des Teleklides eine
ähnliche Beschreibung des goldnen Alters gelesen zu haben,' sagte
Fran Salabanda.
'Das Land, das ich der schönen Klonarion beschrieb,' sprach
der Naturforscher, keine Satyre; es ist das Land, in welches
von jedem Dutzend unter euch weisen Leuteil zwölfe sich im Herzen
hinein wünschen und nach Möglichkeit hineinarbeiten, und in wel-
ches uns eure abderitischen Sittenlehrer hineindeclamieren wollen,
wenn anders ihre Deklamationen irgend einen Sinn haben.'
'Ich möchte wohl wissen, wie Sie dies verstehen,' sagte der
Nathsherr, der, vermöge einer vieljährigen Gewohnheit, nur mit
halben Ohren zu hören und sein Votum ini Rath schlummernd
von sich §11 geben, nicht gerne die Mühe nahm, einer Sache lange
nachzudenken.
'Sie lieben eine starke Beleuchtung, wie ich sehe, Herr Raths-
meister,' erwiderte Demokritus. 'Aber zu viel Licht ist zum Sehen
ebenso unbequem, als 511 wenig. Helldunkel ist, dünkt mich, gerade
so viel Licht, als man gebraucht, um weder 311 viel noch zu wenig
zu sehen. Ich setze zum voraus, daß Sie überhaupt seben können.
Denn wenn dies nicht wäre, so begreifen Sie wohl, daß wir beim
Licht von zehntausend Sonnen nicht besser sehen würden, als beim
Schein eines Feuerwurms.'
'Sie sprechen von Feuerwürmern?' sagte der Nathsherr, in-
dem er bei dem Worte Feuerwurm ans einer Art von Seelen-
schlummer erwachte, in welchem ihn ein ziemlich sündlicher Traum
heimgesucht hatte. 'Ich dachte, wir sprächen von den Moralisten.'
.'Von Moralisten oder Feuerwürmern, wie es Ihnen beliebt,'
versetzte Demokritus. 'Was ich sagen wollte, um Ihnen die
Sache, wovon wir sprachen, deutlich zu machen, war dies.
Ein Land, wo ewiger Friede herrscht, und wo alle Menschen in
gleichem Grade frei und glücklich sind; wo das Gute nicht mit
dem Bösen vermischt ist, Schmerz nicht an Freude, und Tugend
nicht an Untugend grenzt, wo lauter Schönheit, lauter Ordinrng,
lauter Harmonie ist; mit einem Wort, ein Land, wie eure Mora-
listen den ganzen Erdboden haben wollen, ist entweder ein Land,
wo die Leute keinen Magen haben, oder es muß schlechterdings
das Land sein, das uns Teleklides schildert, mis dessen Amphik-
tyonen ich, wie die schöne Salabanda sehr wohl bemerkt hat, meine
Beschreibung genommen habe. Vollkommene Gleichheit, vollkom-
mene Zufriedenheit mit dem Gegenwärtigen, immerwährende Ein?
tracht, kurz, die saturnischcn Zeiten, wo man keine Könige, keine
Priester, keine Soldaten, keine Rathsherren, keine Moralisten, keine
Schneider, keine Köche, keine Ärzte und keine Scharfrichter braucht,
sind nur in dem Lande möglich, wo einem die Rebhühner gebraten,
in den Mund stiegen, oder, welches ungefähr ebenso viel sagen will,
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler]]
262
136.
Des Chemikers Laboratorium.
Von Liebig.
Chemische Briefe. Heidelberg 1844. S- 85.
Wenn man von den Fortschritten und der Entwickelung der
neuern Chemie reden will, so kann man nicht umhin, den Mitteln
und Werkzeugen, die der Chemiker zu seinen Arbeiten benutzt, eine
Lobrede zu halten. Ohne Glas, ohne Kork, Platin und Kautschuk
wären wir heute vielleicht nur halb so weit. Zu Lavoisier's Zeiten
war es nur wenigen und zwar nur sehr reichen Leuteil, der Kost-
spieligkeit der Apparate wegen, gestattet, chemische Untersuchungen
zu machen.
Die wunderbaren Eigenschaften des Glases kennt jedermanns
durchsichtig, hart, sarblos, unveränderlich durch Säuren und die
meisten Flüssigkeiten, in gewissen Temperaturen geschmeidiger und
biegsamer wie Wachs, nimmt es in der Hand des Chemikers, vor
der Flamme einer Öllampe, die Form und die Gestalt aller zu
seinen Versuchen dienenden Apparate an.
Welche kostbare Eigenschaften vereinigen sich im Kork! Wie
wenig vermögen andere seinen Werth zu schätzen und seine Tu-
genden anzuerkennen! Vergebens würde man sich den Kopfzer-
brechen, um den Kork als ganz gewöhnlichen Verschluß einer Bou-
teille durch etwas anderes zu ersetzen. Man denke sich eine weiche,
höchst elastische Masse, welche die Natur selbst mit einer Substanz
getränkt hat, die zwischen Wachs, Talg und Harz steht (dem
Suberin), wodurch sie die Eigenschaft erhält, völlig undurchdring-
lich für Flüssigkeiten, ja selbst bis zu einem gewissen Grade für
alle Gase zu sein. Wir verbinden durch Kork weite mit engen
Öffnungen, und mittels Kautschuk und Kork construieren wir die
zusammengesetztesten Apparate von Glas, ohne dazu den Metallar-
beiter und Mechanicus, Schrauben und Hähne zu bedürfen. Die
Apparate des Chemikers sind ebenso wohlfeil als rasch und schnell
zu Stande gebracht und erneuert.
Ohne Platin wäre eine Mineralanalyse nicht ausführbar. Das
Mineral muß aufgelöst, es muß aufgeschlossen, d. h. zur Auslösung
vorbereitet werden. Glas und Porzellan, alle Arten von nicht me-
tallischen Schmelztiegeln werden durch die zur Ausschließung dienenden
Mittel zerstört, Tiegel von Silber und Gold würden in hohen
Temperaturen schmelzen; das Platin ist wohlfeiler wie Gold, härter
und dauerhafter wie Silber, in allen Temperaturen unserer Öfen
unschmelzbar, es wird durch Säuren, es wird von kohlensauren
Alkalien nicht angegriffen, es vereinigt in sich die Eigenschaften
des Goldes und des unschmelzbaren Porzellans. Ohne Platin
würde heute vielleicht die Zusammensetzung der meisten Mineralien
noch unbekannt sein. Ohne Kork und Kautschuk würden wir den
Mechanicus bei allen unsern Arbeiten nicht entbehren können.
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TM Hauptwörter (200): [T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter], T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
304
neten, einem bloßen Punkt im Weltall, wieder zurückgeben muß,
nachdem es eine kurze Zeit mi-t Lebenskraft versehen gewesen. Der
zweite erbebt dagegen meinen Werth, als einer Intelligenz, un-
endlich durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz
mir ein von der Thierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt
unabhängiges Leben offenbart, wenigstens so viel sich aus der
zweckmäßigen Bestimmung meines Daseins durch dieses Gesetz,
welche nicht auf Bedingungen und Grenzen dieses Lebens einge-
schränkt ist, sondern ins Unendliche geht, abnehmen läßt.
Allein Bewunderung und Achtung können zwar zur Nach-
forschung reizen, aber den Mangel derselben liicht ersetzen. Was
ist nun zu thun, nm diese auf nutzbare lind der Erhabenheit des
Gegenstandes angemeffene Art anziistelleu? Beispiele mögen hie-
bei ziir Warnung, aber auch zier Nachahmung dienen. Die
Weltbetrachtung steng von dem herrlichsten Anblicke an, den
menschliche Siiine nur immer vorlegen, und nufer Verstand, in
ihrem weiten Umfange zu verfolgen, nur immer vertragen kann,
und endigte — mit der Sterndeutung. Die Moral fieiig mit
der edelsten Eigenschaft in der moralischen Natur an, deren Ent-
wickelung und Cultur auf unendlichen Nutzen hinaussieht, und
endigte — mit der Schwärmerei oder dem Aberglauben. So geht
es alleii noch rohen Versucheii, in deneii der vornehmste Theil des
Geschäftes auf den Gebrauch der Vernunft ankommt, der nicht, so
wie der Gebrauch der Füße, sich von selbst vermittels der östern
Ausübung findet, vornehmlich, wenn er Eigenschafteil betrifft, die
sich nicht so unmittelbar in der gemeinen Erfahrung darstellen lassen.
Nachdem aber, wiewohl spät, die Maxime in Schwung ge-
kommen war, alle Schritte vorher wohl zu überlegen, die die
Vernunft zu thuil vorhat, und sie nicht anders, als im Gleise
einer vorher wohl überdachten Methode, ihren Gang machen zu
lassen, so bekam die Beurtheilung des Weltgebändes eine ganz
andere Richtung und mit dieser zugleich einen ohne Vergleichung
glücklichern Ausgaiig. Der Fall eilies Steins, die Bewegung einer
Schleiider, in ihre Elemente und dabei sich äilßernden Kräfte auf-
gelöst und mathematisch bearbeitet, brachte zuletzt diejenige klare
und für alle Zukiiiift unveränderliche Eiiisicht in den Weltbau
hervor, die bei fortgehender Beobachtung'hoffen kaiin, sich immer
nur zu erweitern, niemals aber zurückgehen zu müssen fürchten
darf. — Dieseii Weg in Behandlung der moralischen An-
lagen unserer Natur gleichfalls einzuschlagen, die Beispiele der mo-
ralisch iirtheilenden Vernrinft in ihre Elementarbegriffe zu zergliedern,
kann niis jenes Beispiel anräthig sein und Hoffnung zu ähnlichem
guten Erfolg geben. Dadurch wird auch hiebei theils der Verirrung
einer noch rohen ungeübten Beiirtheilimg, theils, welches weit nö-
thiger isch den Genieschwüngen vorgebeugt, durch welche, wie
es von Adepten des Steiiis der Weisen ,;u geschehen pflegt, ohne
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler]]